Mittwoch, 9. März 2022

RELATIV NEUE METASTUDIE

Vor zwei Jahren, im März 2020, wurde eine erste Metastudie oder genauer: Meta-Analyse zum Phänomen des Post-Vasektomie-Schmerzsyndroms publiziert: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7084350/. Darin wird zum ersten Mal festgehalten, dass man die Anzahl der betroffenen Männer wohl doch unterschätzt habe: "We conclude that the overall incidence of post-vasectomy pain is greater than previously reported". Sie kommt zwar anders als die bisher ausführlichste Studie, die von 14.7 Prozent von neu von Schmerzphänomenen betroffenen Männern nach einer Vasektomie spricht (siehe etliche andere Einträge hier im Blog; dort auch die Nachweise) nicht auf diese Zahl, dies liegt aber eben auch daran, dass es eine Metastudie ist, die möglichst viele der bisherigen Untersuchungen zusammenfassen möchte - und da gaben eben einige die Zahl viel zu tief an.
Trotzdem ist es für die Betroffenen (wie meinen besten Freund; siehe den allerersten Beitrag in diesem Blog) doch hilfreich, dass inzwischen also sogar in einer Metastudie anerkannt wird, dass die Zahl der ein Leben lang oder zumindest jahrelang leidenden Schmerzpatienten nach einer Vasektomie grösser ist als bisher von den meisten Urologen zugegeben.
Denn diese 5 Prozent sind eine heikle Zahl. Es gibt in der europäischen Medizin teilweise den (nicht festgeschriebenen) Grundsatz, dass man elektive, also freiwillige Operationen, zumindest auf die bisherige Art und Weise nicht mehr durchführen sollte, wenn mehr als 5 Prozent der Patienten einen irreparablen Schaden davontragen. Das wäre hier demnach gegeben. Und richtig gibt es auch urologische Praxen, die mir sagten, dass sie diesen Eingriff gar nicht mehr vornähmen.
Leider können es sich andere Urologen aber trotzdem relativ einfach machen. Denn man kann alternativ argumentieren - und das hat teilweise seine Richtigkeit - dass man bloss besser auswählen müsste, wen man eben noch operieren würde und wen nicht. Ganz sicher sollte kein Mann eine Vasektomie vornehmen lassen, der an einem oder mehreren chronischen Schmerz(en) leidet; auch Männer, die bereits einmal Probleme in der Gegend der Leisten hatten, sollten keine Vasektomie machen lassen. Aber selbst dann lässt sich die Zahl wohl nicht auf 1 Prozent drücken, wie es sich die Urologen in der Schweiz immer wieder einreden.
Warum 1 Prozent? Weil dann ein Urologe diese unerwünschte Nebenwirkung laut Gesetz in der Schweiz nicht angeben muss. Und richtig habe ich hier ja schon mehrmals aufgedeckt, dass kaum ein Urologe freiwillig auf diese brutale Nebenwirkung hinweist. Zum Teil mit scheinbar gutem Gewissen: Denn wenn ein Urologe etwa 300 Vasektomien im Jahr durchführt, so kann er sich mit einigem Recht einreden, dass doch bloss etwa 1 oder 2 Männer betroffen seien.
Denn es sind zwar laut Schätzung der Schmerzklinik des Inselspitals Bern wohl wirklich mindestens 5 Prozent der vasektomierten Männer vom Schmerzsyndrom schwer betroffen, von denen aber die Hälfte aus Schamgefühl nie etwas sagt. Weitere etwa eineinhalb Prozent führe den Schmerz nicht direkt auf die Vasektomie zurück - und so erfährt auch hier der ursprüngliche Urologe selten davon. Nur das eine Prozent suche im selbsthergestellten Zusammenhang mit der Vasektmomie einen Urologen auf, wenn auch teilweise nicht mehr jenen, der die Vasektomie durchführte.
Das meine ja, dass also die Urologen das wirklich nicht wissen könnten? Doch! Denn erstens kommen zu dem etwa halben Prozent, das sich etwas zum ursprünglichen Urologen zu sagen getraut, wie gesagt Patienten von anderen Urologen mit dem Problem zu ihnen; und zweitens sind sie angehalten, Studien zu lesen, sich fortzubilden. Und da gibt es eben schon seit Jahren in der Literatur die Hinweise darauf, dass mindestens 5 Prozent der Männer betroffen sind.
Aber definitiv 2020 bewies also diese oben verlinkte Metastudie, dass wohl mindestens 5 Prozent nach einer Vasektomie an diesem Schmerzsyndrom leiden. Und deswegen gehört der Eingriff wirklich endlich überdacht! (Und ja, das tut mir sehr leid für all die Frauen, die dadurch teilweise wieder auf Hormone zurückgeworfen werden.)

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