Mittwoch, 8. Januar 2020

DAS GENFER GELÖBNIS

Ärzte von heute, was auch immer das heisst - denn sie können ja schon vor vierzig Jahren das Studium abgeschlossen haben und immer noch praktizieren -, legen meist nicht mehr eins zu eins den Hippokratischen Eid ab. Zumindest in der Schweiz hat der Eid meist nur noch referentiellen Charakteren. Seit Jahrzehnten wird eher das Genfer Gelöbnis verwendet - wenn überhaupt (siehe unten). Aber die Idee ist dieselbe: Kein Arzt und keine Ärztin sollte einen Patienten nur um des Geldes wegen behandeln und immer nach bestem Wissen und Gewissen.
So wurde das Genfer Gelöbnis denn auch 1948 vom Weltärztebund verabschiedet und seither mehrmals angepasst, damit der Ruf der Ärzte nach dem Geschehnissen vor allem in Deutschland während der Nazi-Zeit wieder besser würde. Hatten doch dort etliche Ärzte grausame Experimente in Konzentrationslagern vorgenommen.
Wichtig im Genfer Gelöbnis ist die Autonomie des Patienten. Kein Patient sollte zu einer Operation überredet werden, sondern ihm sollten die Fakten erklärt werden, aufgrund derer er sich dann entscheiden kann, ob er operieren lassen wolle oder eben nicht.
Schon dieser Teil wird bei Vasektomien meist nicht befolgt. Schweizer Ärzte müssen eine Komplikation, die laut irgendeiner Studie weltweit nicht mehr als zu 1 Prozent vorkommt, dem Patienten nicht offenlegen. Doch es wird immer Ärzte geben, die Studien so publizieren, dass die Komplikation höchstens 1 Prozent erwähnt. Ein Schweizer Urologe darf sich dann darauf berufen und muss nicht sagen, dass das Vorkommen des Post-Vasektomie-Schmerz-Syndroms bei der weltweit solidesten Studie als mit fast 15 Prozent erkannt wurde. Diese Studie findet man unter anderem hier: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1464-410X.2007.07128.x 
Aber es kommt noch schlimmer: In der Schweiz ist das Genfer Gelöbnis nicht mal Pflicht. Wir leben offenbar in einem Land, das die Ärzte selbst entscheiden lässt, was wichtig ist und was nicht! In vielen anderen Berufen - als Lehrer, Polizist und Kindesbetreuer - wird man zur ethischen Haltung ermahnt. Aber Ärzte können ziemlich frei entscheiden, was sie tun und lassen wollen. Vielleicht werden daher in der Schweiz von 5000 Fällen, in denen Patienten einen Arzt jährlich anklagen, nur 4-5 Fälle zugunsten des Patienten entschieden (Zahl des Kassensturzes). Also diese Zahl MUSS doch nachdenklich machen!

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