Sonntag, 20. Januar 2019

DAS UNDISZIPLINIERTE DENKEN DER ÄRZTE

Es sollte schon lange ein Klassiker sein: Das vor 100 Jahren erschiene Buch des Psychiaters Eugen Bleuler (1857–1939) mit dem sprechenden Titel «Das autistisch-undisziplinierte Denken in der Medizin und seine Überwindung» (1919). Bleuler benennt darin den Hauptfehler vieler Ärzte: Dass sie viel zu schnell zu einer Diagnose kommen, weil sie gar nicht richtig auf den Patienten eingehen, ihn viel zu rasch als sowieso üblichen Fall abtun, weil sie sich kaum einmal ausserhalb ihres Systems bewegen oder von einem Fall auszugehen bereit sind, der eben nicht in der üblichen Art und Weise zu lösen wäre. Falls es ›üblich‹ und ›normal‹ überhaupt gibt. – Von der angestrebten Überwindung sind wir auf jeden Fall noch weit entfernt, gerade, weil die Ärzte eben nicht selbst starke Individuen sind, die ein Gespür entwickeln dafür, dass bei jedem einzelnen Fall gewissermassen eine wortwörtliche Kasuistik vorliegt, zumindest was den Voraufklärungsbedarf, den Umgang mit dem Fall und mögliche Einschränkungen oder die Nachbetreuung betrifft. Vielmehr können viele Ärzte nach intensiver Beobachtung (deswegen kann ich auch sagen: Es gibt Ausnahmen, besonders viele in der Neurologie) und aufgrund ihres Habitus einem bestimmten Typus zugeordnet werden, der sie kleidet wie eine Uniform, die ich selbst lieber nicht anziehen möchte.
All dies kommt eben auch zum Tragen, wenn Ärzte ›untersuchen‹ (sie untersuchen eben nicht, sondern sagen meist einfach JA), ob der vor ihnen sitzende Mann ein wirklich geeigneter Kandidat für eine Vasektomie sei. Denn die Fälle der Schmerzpatienten nach einer Vasektomie liesse sich vermutlich senken, wenn man eine wirklich eingehende Vorabklärung durchführen würde.

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